Norbert Uphues (54) ist ehrenamtlich in der Notfallseelsorge und Nachsorge von Einsatzkräften tätig
Von Manuela Reher
COESFELD. Der Coesfelder Feuerwehrmann Norbert Uphues (54) hat alles gesehen: schwerverletzte, verbrannte und verstorbene Unfallopfer und riesige Schadenslagen. „Das hat mir nie etwas ausgemacht, bis zu dem Tag, als ich im Jahre 2011 bei einem Verkehrsunfall auf der Straße zwischen Coesfeld und Gescher als Ersthelfer tätig war“, erinnert er sich. Das Unfallopfer, das später in der Klinik verstorben ist, war ein Bekannter von ihm. „Das hat mir sehr zugesetzt“, berichtet Norbert Uphues. Es habe gut getan, mit Kollegen über dieses Ereignis zu sprechen.
Heute leistet Norbert Uphues selbst Unterstützung, wenn Einsatzkräfte der Feuerwehr Coesfeld die Geschehnisse am Unfallort nur schwer verarbeiten können. Er ist sogenannter PSU-Assistent. PSU steht für psychosoziale Unterstützung. „Das hat es früher in dieser Form nicht gegeben“, sagt Uphues, der als 15-Jähriger 1984 in die Jugendfeuerwehr eingetreten ist. Am Institut der Feuerwehr in Münster hat er einen intensiven PSU-Lehrgang absolviert.
Aber Norbert Uphues kümmert sich nicht nur um die psychosozialen Belange seiner Feuerwehrkollegen, sondern ist auch als Notfallseelsorger für Unfallbeteiligte im Einsatz. Immer dann, wenn ihn die Polizei, der Notarzt oder die Feuerwehr alarmieren, ist er am Unfallort präsent.
Die Notfallseelsorge ist in Trägerschaft der christlichen Kirchen und fährt nicht nur bei Unfällen raus, sondern auch zum Beispiel bei häuslichen Todesfällen, Überbringung einer Todesnachricht mit der Polizei und bei Suiziden.
An seiner lilafarbenen Weste ist Norbert Uphues erkennbar. „Die Menschen befinden sich in einer absoluten Ausnahmesituation. Manchmal geht es nur darum, einfach zuzuhören oder gemeinsam zu schweigen oder auch zu weinen“, sagt Uphues. Das sei von der jeweiligen Situation, den Umständen und natürlich ganz konkret von den persönlichen Bedürfnissen der Betroffenen abhängig. Gut in Erinnerung hat Norbert Uphues den schweren Verkehrsunfall Anfang Januar 2023 auf der Bundesstraße 525 zwischen Coesfeld und Nottuln in Höhe des Abzweigs zur Benediktinerabtei St. Joseph in Gerleve (Billerbeck). Damals war eine 76 alte Frau noch an der Unfallstelle verstorben, deren neunjährige Enkeln musste schwer verletzt mit einem Hubschrauber in eine Spezialklinik geflogen werden. „Ein solcher Unfall ist für Einsatzkräfte und Unfallbeteiligte sehr belastend“, sagt Norbert Uphues.
„In solchen Momenten denkt man oft über sein eigenes Leben nach und stellt fest, wie wichtig es ist“ (Norbert Uphues)
„Viele Dinge, die die Retter belasten, kommen oft erst Tage später zum Vorschein. Die Betroffenen haben sogenannte Flashbacks. Das Gehirn muss alle Eindrücke erst verarbeiten“, weiß Norbert Uphues aus Erfahrung. Die Betroffenen würden sich an die Gerüche, massiv auch an Bilder und Geräusche an der Unfallstelle erinnern, die von ausgelaufenem Motoröl, Kühlwasser, Batteriesäure oder auch Blut hervorgerufen werden.
Norbert Uphues hilft seinen Kameraden dann in einem Eins-zu-eins-Gespräch, das Erlebte zu sortieren. Das gehe natürlich nicht bei einer ganzen Einsatzgruppe. „Dazu gibt es im Kreis ein Einsatzkräfte-Nachsorge-Team mit etwa 20 speziell ausgebildeten Kräften aus Feuerwehr, Rettungsdienst und Notfallseelsorge.“
Oft wenden sich Betroffene direkt an ihn, manchmal spricht er sie auch nach dem Einsatz bei einem schweren Unfall an, wenn ihm auffällt, dass sie mit den Erinnerungen an den Unfall nur schwer klarkommen. Die Kameraden können großes Vertrauen zu ihm entwickeln, auch deshalb, weil für Norbert Uphues absolute Verschwiegenheitspflicht gilt.
„Wenn das Erlebte nicht verarbeitet wird, kann es zu posttraumatischen Belastungsstörungen kommen“, berichtet Norbert Uphues. Er verfügt über Kontakte zu medizinischen Fachleuten und kann die Betroffenen an diese verweisen.
Seit einem Jahr ist Norbert Uphues auch Fachberater Seelsorge der Feuerwehr Coesfeld und gibt sein Wissen weiter. Er kümmert sich vor allem auch um junge Feuerwehrkräfte, die er auf den Einsatz bei einem schweren Verkehrsunfall – manchmal mit Todesfolge – vorbereitet. Einen verstorben Menschen aus einem Autowrack zu bergen, sei eine Aufgabe, die dem Retter viel abverlange, sagt Uphues. „In solchen Momenten denkt man oft über sein eigenes Leben nach und stellt fest, wie wertvoll es ist“, sagt der 54-Jährige. Und das versucht er auch Schülern zu vermitteln, denen er die fatalen Folgen von zu schnellem Fahren aufzeigt.
Das macht er im Rahmen des Programms „Crash Kurs NRW – Realität erfahren, echt hart“, einer Initiative der Polizei NRW, bei der aus allen Hilfsorganisationen eine Einsatzkraft über einen realen Einsatz mit Bildern erzählt. Zusätzlich sind auch Überlebende und Familienangehörige von Opfern auf der Bühne. Die Veranstaltungen finden jedes Jahr in Coesfeld, Dülmen und Lüdinghausen statt. „Gründe für diese schlimmen Unfälle sind immer Alkohol, Drogen und zu schnelles Fahren“, sagt Norbert Uphues.
Norbert Uphues wünscht sich, dass die Einsatzkräfte und Unfallbeteiligten überall im Kreis stets einen versierten Ansprechpartner haben, um in Ausnahmesituationen aufgefangen zu werden. Norbert Uphues, Hauptbrandmeister bei der Feuerwehr Coesfeld, setzt sich ehrenamtlich in der Notfallseelsorge und bei der Nachsorge für Einsatzkräfte ein.