Coesfeld. Die Männer können sich kaum aufrecht halten, so heftig bläst der Sturm. Endlich kriegen sie den Haken zu fassen, mit dem die alte Kastanie aus dem Wasser gehievt werden soll, die an einem Hof in Stockum in die bedrohlich angestiegene Berkel gestürzt ist und dabei ein Wehr beschädigt hat. Schwere Arbeit.
Entwurzelte Bäume, abgeknickte Äste und abgedeckte Dächer – die Mitarbeiter der Rettungsdienste und des städtischen Baubetriebshofs wissen gestern Abend nicht, an welcher Stelle sie zuerst helfen sollen. Orkantief „Kyrill“ sorgt für den Ausnahmezustand. Bis 16.45 Uhr war alles ruhig, hatte Bauhofchef Theo Reckert Dorothee Heitz, Pressesprecherin der Stadt Coesfeld, noch berichtet. Nach 17 Uhr gibt es dann eine richtige Sturm-Attacke. Reckert alarmiert alle 14 Kräfte aus der Rufbereitschaft. Besonders schwer zu schaffen machen ihnen drei riesige Bäume an der Lindenstraße. Auch an der Reiningmühle müssen umgestürzte Bäume beseitigt werden, an der Friedrich-Ebert-Straße, der Rekener Straße oder auch am Tüskenbach, wo eine Tanne umgestürzt ist und der Tüskenbach sich staut. „Im Moment kommen die Meldungen beinahe im Minutentakt herein“, sagt Dorothee Heitz.
Bis 19 Uhr hat Feuerwehrchef Thomas Finke rund 60 Einsätze gezählt. Vor allem umgestürzte Bäume, die zum Teil in die Hochspannungsleitungen geknickt sind und Brände verursacht haben, müssen die Einsatzkräfte beseitigen. Aber auch große Äste und umgeknickte Verkehrsschilder. „Und es gibt kleinere Schäden an Dächern“, so Dorothee Heitz. An der Leitstelle der Feuerwache wird nicht nur die Arbeit der 80 Wehrmänner koordiniert. Auch 30 THW-Kräfte sind im Einsatz. Bei einem schweren Unfall auf der B 474 in Höhe Boer ist die Wehr ebenfalls vor Ort. Hier ist ein Lkw umgekippt, zwei Personen werden verletzt.
Der Regen lässt Flüsse und Bäche steigen. Der Kreis gibt um 16 Uhr die Alarmstufe I aus, die Berkel ist am Pegel Lutum (Billerbeck-Hamern) von morgens 70 Zentimeter auf über 1,80 Meter gestiegen. „Bei solchen Drücken fahren wir unsere sämtlichen Stauanlagen – an der Umflut etwa – nur noch von Hand“, sagt Rolf Hackling, Leiter des Abwasserwerkes Coesfeld. „Unsere Mitarbeiter werden die ganze Nacht unterwegs sein.“
Im St.-Vincenz-Hospital herrscht derweil noch Ruhe. „Hier ist alles normal“, bestätigt die diensthabende Chirurgin auf Nachfrage.
Schon am Vormittag war für alle Schüler der städtischen Schulen nach der vierten Unterrichtsstunde Schluss, damit sie rechtzeitig vor dem Sturm ihr sicheres Zuhause erreichen konnten.
Kampf mit dem Schirm: In der leer gefegten Innenstadt versucht dieser Passant, sich zu schützen Foto: vth |
Eingeschlagen: Die alte Kastanie liegt im Wasser. Beim Sturz hat sie ein Wehr beschädigt, mit dem die Berkel reguliert werden kann. Der Wasserstand ist beträchtlich angestiegen |