Feuerwehr Coesfeld

Übungen am Limit

Heißer Einsatz am körperlichen Limit
Feuerwehr Coesfeld setzt auf realistische Übungen im Brandcontainer

Von Frank Wiesmann

-wi- Coesfeld.Schwarz und dicht dringt der Brandrauch aus jeder Ritze des heißen Containers. Stoßweise, fast pulsartig dringt er nach außen und zieht in den grauen Himmel über Bochum. Fast könnte man meinen, das Feuer lebt und atmet. „Da drinnen sind auf Kopfhöhe jetzt weit über 200 Grad Celsius“, erklärt Ausbilder Peter Sondermeier von der Berufsfeuerwehr Bochum. Nicht gerade eine angenehme Lagerfeuer-Atmosphäre. Einige Zeit vorher hatten die Wehrmänner aus Coesfeld mit ihrem Ausbilder Holzpaletten und Bauholz im Container aufgeschichtet und angesteckt. Nun ist es an der Zeit, sich hinein zu wagen.

Georg Wolter, Löschzugführer des Löschzuges I weiß, warum es so wichtig ist, seine Wehrmänner hier in der sogenannten Heißausbildung der Berufsfeuerwehr Bochum an ihre Grenzen zu bringen: „Feuerwehrmänner müssen das Feuer verstehen. Dazu müssen sie mit Feuer üben. Da gibt es einfach keine Alternative. Leider ist es heute bei vielen Feuerwehren so, dass man sich in Übungen einfach vorstellen soll, dass es hier oder dort brennt. Das hat erfahrungsgemäß Kostengründe, aber dadurch wird kein Feuerwehrmann fachgerecht auf das Feuer und den Einsatz vorbereitet.“

Schließlich sage man einem Maurer in der Ausbildung ja auch nicht, er solle sich Zement und Steine vorstellen und dann drauf los mauern, erklärt Wolter. Um in einer realen Einsatzsituation gut vorbereitet zu sein und genau zu wissen, was zu tun ist, sei es lebensnotwendig, am eigenen Körper erfahren zu haben, wie sich das Feuer anfühlt, wie es reagiert und wann es Zeit sei, das Weite zu suchen. Deshalb fahren die Löschzüge der Coesfelder Wehr nun seit mehreren Jahren regelmäßig auf das Übungsgelände der Bochumer Feuerwehr, um dort nach einer theoretischen Einweisung ganz real zu erfahren, wie sie mit Feuer umgehen müssen und welche Gefahren es birgt.
Um die Flammen und die Hitze im Container aushalten zu können, müssen die Männer aus Coesfeld gut gerüstet sein. Neben Atemschutzgerät und der üblichen Feuerwehrschutzkleidung gibt es noch Überwürfe und Kopfmasken aus feuerfestem Stoff, die über die normale Schutzkleidung gezogen werden. Darunter tragen sie noch einmal eine Kombination dünnerer Schutzkleidung. Keine Spalte, kein Zentimeter Haut darf frei bleiben. Sie sehen aus, als wollten sie auf dem Mond spazieren gehen. Unter den schweren Anzügen schwitzen die Kameraden schon, bevor sie das Feuer überhaupt zu sehen bekommen. „Das ist kein Angstschweiß“, scherzt einer der vermummten Brandbekämpfer unter seiner Maske.
„Feuerwehrschutzkleidung schützt nur im Sekundenbereich vor direktem Feuer, aber sie schützt ihre Träger sehr gut vor der Hitze des Brandes. Sie lässt Hitze weder eindringen noch ausbrechen“, erklärt Ausbilder Sondermeier. Er ergänzt: „Das ist auch gleich ihr größter Nachteil. Erstens begeben sich viele Feuerwehrmänner sehr weit ins Feuer, da sie die Gefahr durch die große Hitze einfach nicht spüren. Außerdem arbeitet ihr Puls innerhalb von Minuten auf Maximum, da das Schwitzwasser nicht verdampfen kann und der Körper nicht abkühlt, sondern stetig wärmer wird.“ Da wundert es niemanden, dass Herzinfarkte bei der Feuerwehr in der Liste der Todesursachen weit vor Rauchvergiftungen oder Brandverletzungen rangieren. „Die Männer arbeiten deshalb ständig am Limit“, kommentiert Sondermeier.

Dann ist es endlich soweit. Die Gruppe kniet nun vor dem Eingang des Containers. Während ein Kamerad die Tür immer wieder kurz öffnet und wieder schließt, gibt ein anderer am Strahlrohr kurze Sprühstöße ins Innere des Containers. „Das Wasser verdampft sekundenschnell und verdrängt damit die brennbare Rauchschicht an der Decke, sodass wir beim Eindringen in den Brandraum nicht Gefahr laufen, eine Rauchgasdurchzündung auszulösen“, erklärt der Ausbilder dieses Vorgehen. Dann geht alles sehr schnell. Einer nach dem Anderen kriecht in tiefster Gangart in den Container und verschwindet im dichten, heißen Rauch. Als das Feuer nur noch einige Armlängen entfernt ist, legen sie sich nebeneinander auf den Boden, fast wie Sardinen in einer Dose. Sondermeier gestikuliert und zeigt den Kameraden, wie das Feuer sich bewegt, wie es „atmet“ und sich ausbreitet. Die Männer rollen sich auf den Rücken und betrachten, wie Flammen an der Decke entlang züngeln. Die Hitze ist ihnen ins Gesicht geschrieben. „Jetzt werden wir einmal schmerzhaft erfahren, wie man besser nicht löschen sollte“, gibt Sondermeier zu verstehen und lässt alle aufstehen. Im Stehen ist die Hitze kaum zu ertragen. Der Mann mit dem Strahlrohr stellt einen Vollstrahl ein und richtet ihn mitten ins Feuer. Es zischt und kracht, Wasserdampf hüllt sie ein. Zu viel für einen der Kameraden. Er muss sofort raus aus dem Container. Es sind nur einige Schritte in die Freiheit, aber es kommt ihm vor wie eine Ewigkeit. Draußen setzt er sich auf die Rasenfläche vor dem Container, legt mit seine Ausrüstung ab und schnappt nach Luft. „Der Wasserdampf ist unerträglich heiß. Er dringt einfach durch deine Sachen. Überall, wo du schwitzt oder deine Ausrüstung nass ist, wird die Hitze besonders unerträglich“, erklärt er und legt sich auf den Rücken, um seinen Puls zu beruhigen.
Unterdessen sind seine Kameraden im Container wieder auf dem Boden. Sondermeier zeigt ihnen nun, wie man Feuer richtig bekämpft. Kurze Sprühstöße unter die Decke senken merklich die Temperatur im Raum. Immer wieder gibt er kurze Stöße ins Feuer, wartet bis der Wasserdampf an ihnen vorüber ist und wiederholt die Prozedur. Nach einigen Minuten ist alles vorbei. Rückzug.

Für die Coesfelder Wehrmänner gibt es nur noch eins: Raus aus den Sachen und unter die Dusche. Die Erschöpfung und Hitze sind in die hochroten Gesichter geschrieben. In der Eile passiert ein Ungeschick: einer der Männer hat sich die Handschuhe ausgezogen, um seine Jacke aufzumachen. Dabei hat er vergessen, dass das Feuer die Jacke enorm aufgeheizt hat. Spontan verbrennt er sich die Finger. „Jaja, damit sollte man ein paar Minuten warten“, scherzt Sondermeier.
Löschzugführer Wolter ist sichtlich zufrieden. „Zehn Minuten in diesem Container sind mehr wert als wochenlange Übung ohne Feuer“, gibt er zu verstehen. „Was die Kameraden heute hier über Feuer und fachgerechte Brandbekämpfung gelernt und am eigenen Körper gespürt haben, vergessen sie nicht mehr. Das ist die Ausbildung, die ein Feuerwehrmann braucht, um Sicherheit und Routine zu entwickeln“, ist sich Wolter sicher.

Neben dem Container, in dem die Gewöhnung ans Feuer geübt wird, trainieren die Kameraden der Coesfelder Feuerwehr deshalb auch regelmäßig in einem großen Übungshaus der Bochumer Wehr, indem Menschenrettung, Brandbekämpfung und taktisches Vorgehen ebenfalls unter realen Bedingungen trainiert werden können. Nur so, da sind sich alle Beteiligten sicher, kann man im realen Einsatz der Hitze des Feuers mit kühlem Kopf entgegen treten.

Fotos: Übung der Feuerwehr Coesfeld im Brandcontainer der BF Bochum.

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Frank Wiesmann

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